Echo vom 3. Zürcher HOFgesang 5. Mai – 3. Juni 2010

Diesmal wurde nicht das tiefe Blau über dem Bezirksgebäude von den Schreien jagender Spiren zerrissen, bevor Alphornklänge zum Auftakt der heurigen Hofgesänge von den schroffen Wänden des Gerichts und des Gefängnisses widerhallten. Es war kein Flugwetter, die Grussbotschaft des Tiefs Ulrike vom Mittelmeer, in Gestalt eineinhalbstündigen Landregens, sorgte von der atmosphärischen Seite für ein rauschendes Fest. Von der künstlerischen Seite sorgten 300 Sänger/innen mit einem begeisternden Konzert für das feuchtfröhliche, nun schon legendäre HOFgefühl. Video. Der Schirm blieb auch für den Rest des Wonnemonats ein nützliches Utensil für HofsängerInnen und ihr Publikum, jene haben es auch wegen der besseren Hörbarkeit der eigenen Stimme schätzen gelernt, möglich, dass es fortan auch für Trockeneinsätze benutzt wird.

Jeder der 150 Hofgesänge wurde zum Genuss für alle Sinne. Neben den bekannteren rückten stets neue unbekannte Klangorte und Schauplätze für eine halbe Stunde akustisch ins Blickfeld der Anwohner und der ganzen Stadt. Unglaublich artenvielfaltig (das Wort muss doch einmal fallen im UNO Jahr der Biodiversität – HOFgesang lässt es allerdings nicht bei Appellen und Drucksachen bewenden) präsentiert sich die Rückseite der Stadt, reichhaltige und erbärmliche Bio- und Vehiculotope erklangen, gerade letztere oft in ergreifender Schönheit, was allerdings kein Hindernis sein soll, diese in permanente Lebensräume zurückzuführen. An 25 Abenden konnte man sich auf eine Chorreise in alle Stadtkreise begeben und hatte die Qual der Routenwahl, wenn nicht gar HOFgesang unter dem eigenen Balkon ertönte.

Zwei Rahmenveranstaltungen bereicherten den 3. zürcher HOFgesang: Am 21. Mai fand im Rosengarten der Genossenschaft Kalkbreite unter dem Titel "Artgerechte Haltung der Stadtmenschen" ein gut besuchtes und angeregtes Publikumsgespräch über den Boden der Nachbarschaft und den Nutzungswandel der Höfe statt. Eine Berner Kleinformation unterhielt anschliessend bis Sonnenuntergang im temporären Garten mit feinstem Gesang und bester Theatralik. HOFgesang grenzenlos: Am 25. Mai feierten wir den Europäischen Tag der Nachbarn mit einer Begegnung der Landes- und Gastlandeskulturen im Hof des Landesmuseums. Die SängerInnen aus der Stadt und aus allen Himmelsrichtungen beschenkten das Publikum mit Melodien und Rhythmen aus mindestens Acht Europäischen Kulturen. Ihre Gesänge von nahen und ferner Heimaten, fanden im Blick über den Platzspitz, die Limmat und Sihl beleckende Landzunge eine sinnfällige Entsprechung. Die Szene möge für alle nicht einzeln beschriebenen Hofgesänge stehen. Sie waren alle: vielfältig – bewegend – denkwürdig – bewusstseinserweiternd.

Viele Höfe liessen die 80 beteiligten Chöre in den zentrumsnahen Quartieren Altstadt und Aussersihl erklingen, zunehmend wird Oerlikon vom HOFgesang erfasst. Auch in Urdorf und in Regensberg wurde HOFgesängen gelauscht. Die UrdorferInnen gaben anderntags einen Tripelauftritt rund um den Zürcher Idaplatz. Bereits Tradition haben Besuche von Winterthurer HofsängerInnen. Ein Chor beherzter Schaffhauserinnen sang sich schon am 1. HOFgesang einen verregneten Abend lang durch mehrere Zürcher Höfe. Nicht nur klangvoll, auch ausdauernd und standhaft gaben sie diesmal innerhaltb ihrer eigenen Mauern die eindrückliche Premiere eines erweiterungsfähigen Schaffhauser HOFgesangs. Drei Stunden lang besangen sie 9 Höfe, vom lauschig verwinkelten Spazierhof bis zum nüchternen Gefängnishof. Das Interesse der lokalen Chorszene, ihres Publikums und der Medien ist geweckt. Man darf gespannt sein, wohin das noch führt.
Im HOFchor aller Anwesenden hob der Schlussabend, angeführt von Gabriela Schöb und dem Jugendchor Thalwil mit einigen Kanoni an. Mit Ausnahme der Alphornbläser, die den grosszügigen Rahmen des Zeughaushofs weiterhin zu nutzen wussten, verlagerte sich das musikalische Geschehen danach ins Innere, wo es trocken war und nach Paella duftete, und wo bis in die Nacht hinein in unterschiedlicher Zusammensetzung gesungen und diskutiert wurde.